Solidarität mit Josef Skála und der KSČM!

Redaktionsnotiz: In der ursprünglichen Version des Artikels wurde ein Zeitpunkt des Katyn-Massakers benannt, der aufgrund des faktischen Verlaufs des Krieges bereits eine bestimmte Urheberschaft nahelegt. Der Zeitpunkt wurde entfernt, da wir keine ausreichende Einschätzung von dem Ereignis vornehmen können. Zudem wurde das Zitat von Max Reimann korrigiert.

Am heutigen 1. Februar steht der Kommunist Josef Skála der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens mit den beiden Historikern Vladimír Kapal und Juraj Václavík vor Gericht – bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu drei Jahre Gefängnis.

Was war passiert?

Im Juli 2020 wurde von der Internet-Plattform Svobodné rádio eine Diskussionsveranstaltung zum Katyn-Massaker ausgerichtet, an der die drei teilnahmen. Im Rahmen der Diskussion, die mit Referenzen auf Dokumente und Quellen geführt wurde, u.a. solchen, die anscheinend erst nach der Auflösung der Sowjetunion aus den Archiven bekannt wurden, ging es auch um die seit Jahrzehnten unter Historikern viel diskutierte Frage, wer die Massaker begangen hat, bei denen tausende Polen hingerichtet wurden. Dabei stellten die Teilnehmer die Verantwortung der sowjetischen Führung infrage und diskutierten die aus ihrer Sicht bestehende Möglichkeit einer Täterschaft der deutschen Faschisten.

Knapp zwei Jahre später erhielten die Teilnehmer hierfür eine Vorladung der Polizei und in der Folge wurde am 31. Oktober 2022 eine achtmonatige Haftstrafe gegen sie verhängt – ein Urteil, das sie anfochten. Der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hatte 2015 im Fall Perinçek vs. Schweiz die Meinungsfreiheit in historischen Fragen entscheidend gestärkt, somit dürfte dieser Angriff selbst nach den eigenen rechtlichen Grundsätzen der Kapitalistenklasse keinen Bestand haben. Ob die tschechische Justiz das aber berücksichtigt, steht in den Sternen. Wie wir in Deutschland nur allzu gut wissen, interessiert es die Klassenjustiz häufig genug kein Stück, welche Rechte den Angeklagten eigentlich zustehen.

Einer der Angeklagten, Josef Skála, ist ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSČM) und ein bekannter Marxist in Tschechien. Er wollte sich zur diesjährigen Präsidentschaftswahl für die KSČM aufstellen lassen, das Repressionsverfahren behinderte jedoch das Sammeln der dafür nötigen 50.000 Unterschriften. Es ist sicherlich kein Zufall, dass das Strafverfahren gegen Josef Skála einen Monat nach seiner Ankündigung eingeleitet wurde, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Zudem unterstützte er aktiv die massiven Proteste im Herbst, die den westlichen Wirtschaftskrieg gegen Russland und die damit einhergehende eklatante Verschlechterung der Lebensbedingungen ablehnten und sich gegen die militärische Eskalation der NATO aussprachen. An manchen Tagen kamen laut Skála allein in Prag mehr als 100.000 Teilnehmer zu den Kundgebungen.

Einige Beispiele, die schlaglichtartig zeigen, dass sich das aktuelle Verfahren in die seit Jahrzehnten bestehende skandalöse Repression der Kommunisten in Tschechien (und darüber hinaus in ganz Europa, besonders scharf etwa in Polen und der Ukraine) einreiht: Der Senat (das tschechische Oberhaus) wollte bereits 2008 die KSČM beim Obersten Verwaltungsgericht verbieten lassen. Der mit der KSČM verbundene Kommunistische Jugendverband (KSM) wurde 2006 vom tschechischen Innenministerium verboten und aufgelöst, seine Neugründung 2010 konnte nur durch einen langwierigen juristischen Prozess erkämpft werden. Und auch dieses Thema wurde bereits benutzt, um tschechische Kommunisten zu schikanieren: So wurde gegen den wieder gegründeten KSM bereits 2010 eine Strafanzeige wegen einer Artikelserie zum Katyn-Massaker erstattet.

Unabhängig davon, dass wir hier keine historische Einschätzung des Katyn-Massakers leisten können, protestieren wir entschieden gegen die massive Zensur, die in der EU historischen Diskursen auferlegt wird, in denen eine sowjetische Täterschaft zur Diskussion steht. Mit diesem Vorgehen wird der akademische, wissenschaftliche Diskurs unterbunden, zum Zweck die Sowjetunion und den Sozialismus ungehindert in den Dreck ziehen zu können, ungeachtet der Ergebnisse einer Prüfung der Ereignisse. Ein offensichtlich fadenscheiniges Vorgehen, das es wiederum zu bestens dokumentierten Kriegsverbrechen mehrerer NATO-Staaten nicht gibt – eben weil diese juristischen Beschlüsse zur sowjetischen Geschichte neben dem Antikommunismus und der Relativierung der Verbrechen des Faschismus für die Bourgeoisie zusätzlich auch die Funktion erfüllen, Kriegsgegner mundtot zu machen und die Hetze gegen alles Russische in Europa zu befeuern.

Während die Herrschenden sich also als Richter über die Wahrheit historischer Ereignisse aufspielen und das auch im Gerichtssaal durchsetzen lassen, erdreistete sich das EU-Parlament 2019 eine geschichtsverfälschende Resolution zu verabschieden, in der der Sowjetunion eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg untergeschoben wird. Dies soll also die neue „Wahrheit“ werden, die wir zu schlucken haben. Im Land der faschistischen Henker werden wir diese Verdrehung historischer Tatsachen, die die Nazi-Herrschaft entlasten soll, nicht durchgehen lassen!

Die Parallelen der Anklage gegen Skála, Kapal und Václavík zur Situation in Deutschland sind offensichtlich, denn mit dem im Oktober 2022 im Strafgesetzbuch angefügten Absatz 5 des Paragraphen 130 soll auch hierzulande nicht nur der historische und wissenschaftliche Diskurs massiv eingeschränkt, sondern auch Geschichtsrevisionismus per Gesetz durchgesetzt werden. Beides dient derzeit vor allem dazu, jede Kritik an Schauermärchen über Russland und seine Geschichte mit Repression abzuurteilen. Das ohrenbetäubende Dauerfeuer der Kriegshetze gegen Russland auf allen Kanälen darf nicht unterbrochen werden. Keine noch so fantastische Behauptung über Russland in der Konzernpresse darf infrage gestellt werden, jedes Verbrechen der Welt will man dem Gegner ungestört in die Schuhe schieben können. Somit ist die Einschränkung der Meinungsfreiheit Teil der deutschen Kriegsführung gegen Russland. Sie bereitete die Lieferung von Leopard-Panzern in die Ukraine und noch folgende Eskalationen mit vor.

Auch wenn für uns das Grundgesetz nicht der letzte Maßstab dessen ist, was wir richtig oder falsch finden, halten wir es mit Max Reimann, der die Nichtunterzeichnung des Grundgesetzes durch die KPD mit den Worten begleitete: „Die Gesetzgeber werden im Verlauf ihrer volksfeindlichen Politik ihr eigenes Grundgesetz brechen. Wir Kommunisten aber werden die im Grundgesetz verankerten wenigen demokratischen Rechte gegen die Verfasser des Grundgesetzes verteidigen.“ Dieser historischen Aufgabe stellen wir uns hier und werden den Artikel 5 des Grundgesetzes und die durch die aktuellen Entwicklungen eklatant eingeschränkte Freiheit der Meinung, Information, Presse, Wissenschaft, Forschung und Lehre gegen die reaktionären Angriffe des Staates und der EU verteidigen. Alle kommunistischen und fortschrittlichen Kräften sind dazu aufgerufen, hierfür mit uns zu kämpfen und Betroffene zu unterstützen.

Wir sagen unmissverständlich:

Weg mit § 130 Abs. 5 StGB!

Schluss mit der grundgesetz- und menschrechtswidrigen Einschränkung des historischen Diskurses in der EU!

Stoppt die Repression gegen die tschechischen Genossen!

Hoch die internationale Solidarität!

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