Symbolpolitik mit Nebenwirkungen

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Die von der Bundesregierung beschlossene Grundrente wird nichts an der steigenden Altersarmut ändern. Es werden nur wenige Rentner diese zusätzliche Rente bekommen, denn die Voraussetzung, 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt zu haben, erfüllen viele nicht. Es werden circa 1,5 Millionen Menschen sein, die eventuell die Grundrente bekommen. Diese soll 10 % über der Grundsicherung, der Sozialhilfe im Alter, liegen. Das sind 80 Euro, denn die Grundsicherung liegt im Durchschnitt bei 800 Euro. Wer also die Voraussetzungen erfüllt, hat dann 880 Euro Rente. Das ist ein sozialpolitischer Witz und nicht ein „Meilenstein“, wie die SPD behauptet.

Es gibt aber eine weitere Voraussetzung für die Grundrente, nämlich die Einkommensprüfung. Wer mehr als 1250 Euro im Monat an Einkommen hat, bekommt die Grundrente nicht. Und wer mit seinem Partner mehr als 1950 Euro im Monat hat, auch nicht. Das heißt, die oft bemühte Friseurin, die 600 Euro Rente bekommt, würde leer ausgehen, wenn ihr Mann 1350 Euro Einkommen hat. Dadurch werden insbesondere Frauen benachteiligt.

Für die 1,5 Millionen Rentner, die jetzt Grundrente bekommen sollen, plant die Bundesregierung, 1,5 Milliarden Euro auszugeben. Für einen „Zukunftsfonds“ zur Subventionierung von Unternehmen will sie dagegen 10 Milliarden ausgeben. Der Rüstungshaushalt liegt bei über 40 Milliarden Euro und für E-Autos soll es 2000 Euro für jeden Kauf geben, ganz ohne Bedürftigkeitsprüfung. Die Interessen, mit denen der Haushalt geplant wird, liegen auf der Hand. Es sind nicht die der Arbeiterklasse.

Allgemeines zur Rente in Deutschland: Es gibt im Moment rund 20 Millionen Rentner in Deutschland. Davon hätten 1 Million Anspruch auf Grundsicherung im Alter, also Sozialhilfe. Aber nur 500.000 beziehen sie, der Rest schämt sich zum Amt zu gehen. Das Ausmaß der niedrigen Renten ist aber viel größer. Die Hälfte der Rentner, also rund 10 Millionen, erhält eine Rente unter 900 Euro, knapp 60 % erhielt eine Rente unter 1000 Euro. Die Standardrente erhält man nach 45 Beitragsjahren und würde im Moment ca. 1163 netto betragen. Aber 75 % der Rentner erreichen die Standardrente nicht. Die durchschnittlichen Versicherungsjahre liegen bei 36,9 Jahren. Da auch die Löhne niedriger sind als die in der Eckrente angenommenen, liegen die Renten viel niedriger. Die durchschnittliche Rente lag 2017 bei 873 Euro und damit nur knapp über der durchschnittlichen Grundsicherung.

Die Regierung will die Standardrente in Zukunft auf 55,7 % des Nettolohns drücken. Das würde aktuell bedeuten, dass die durchschnittliche Rente nur noch 742 Euro betragen würde. Bis 1991 lag die Rente bei 70 % des Nettolohns. Daran lässt sich erkennen, welch drastische Rentenkürzung von den Regierungen unter CDU und FDP und SPD und Grünen durchgesetzt wurden.

Richtige Forderungen sind: Zurück zur Rente mit 70 % des Nettolohns. Absenken des Eintrittsalters auf 60 Jahre.

Der Hintergrund ist, dass die Löhne seit Jahrzehnten kaum steigen und damit auch nicht die Beiträge in die Rentenversicherung. Denn Rente ist ein Teil vom Lohn, sie gehört zu den Reproduktionskosten der Arbeitskraft, ebenso wie die Krankenversicherung und die Arbeitslosenversicherung. Die Unternehmen wollen deshalb auch diese Lohnbestandteile stetig senken. Der Beitrag zur Rentenversicherung darf aus Sicht des Kapitals auf gar keinen Fall angehoben werden. Das wäre quasi eine Lohnerhöhung und damit ein Minus auf der Seite der Profite. Die Grundrente ist ein Teil dieser Politik, denn sie wird über Steuergelder finanziert und lässt damit die Kapitalseite aus der Finanzierung raus.

Oft wird behauptet, es gäbe zu viele Alte und zu wenig junge Beitragszahler und deshalb müsse die Rente gesenkt werden. Das ist falsch, denn die Produktivität steigt kontinuierlich. Das heißt, ein Arbeiter produziert heute in einer Arbeitsstunde ein Vielfaches von dem in den 1950er Jahren. Er wäre also locker in der Lage, damit mehr Alte zu finanzieren. Die Rentenversicherung wird aber von Monopolen und Staat gezielt ausgehöhlt, um die Profite zu sichern.

Es gibt Leistungen, die aus der Rentenkasse bezahlt werden, ohne dass dafür eingezahlt wurde, wie zum Beispiel die Mütterrente, die Frauen Rente für die Zeit der Kindererziehung zugesteht. Oder auch Witwenrenten und Altersrenten, die vor dem 65. Lebensjahr ausgezahlt werden. Diese Ausgaben sind natürlich richtig und wichtig. Sie müssten aber eigentlich über höhere Steuern für Unternehmen finanziert werden, da die Rentenkasse sonst in Schieflage gerät, weil ja vorher die Summen nicht eingeflossen sind. Gesellschaftliche Aufgaben werden so auf die Sozialversicherungen aufgebürdet, die eigentlich ein Lohnfonds sind.

Auf der anderen Seite werden Steuergelder in die Rentenkasse gegeben, um die Rentenzahlungen zu bezuschussen. So wird über den Staatshaushalt zu Gunsten des Kapitals umverteilt, da die Steuern zu Ungunsten der Lohnabhängigen gestaltet sind. Es wäre also richtig, zu fordern, dass mehr Beschäftigte, auch die über einer Einkommensgrenze in die Rentenversicherung einzahlen müssen und dass die Steuern auf Kapital und große Vermögen erhöht werden.

Die Kapitalisten und ihr Staat betreiben die Absenkung der Rentenleistungen übrigens nicht aus bösem Willen, sondern weil ihr System, die Konkurrenz, das Streben nach höheren Profiten, sie dazu zwingt. Die „Wettbewerbsfähigkeit“ oder „Standortsicherung“ vor allem der großen Monopole muss hergestellt werden. Sie müssen mehr und profitabler produzieren als ihre Konkurrenten aus Frankreich, den USA oder China. Die Lohnkosten spielen gerade in einem hoch entwickelten Industrieland wie Deutschland eine wichtige Rolle. Das Problem ist, dass aufgrund des immer weiter ansteigenden Anteils der Maschinen in der Produktion die Profitrate sinkt, da nur die lebendige Arbeitskraft Mehrwert schafft. Während also die Summe der Profite weiter steigt, nimmt der Profit im Verhältnis zum eingesetzten Kapital weiter ab. Diese Tendenz der sinkenden Profitrate soll durch das Absenken der Löhne abgeschwächt werden. Das ist die ökonomische Gesetzmäßigkeit hinter dem Druck der Monopole und ihres Staats auf Löhne und Sozialversicherungen.

Der Kapitalismus ist also nicht in der Lage, Löhne von denen alle (auch im Alter) leben können, zu zahlen, denn die Profitraten sinken. Ähnliches gilt für die Frage der Versorgung von Kindern, die ohne Kindergeld kaum mehr möglich wäre. Das heißt, dass die Lösung der Rentenfrage im Kapitalismus nicht möglich ist. Kampf für höhere Löhne und Renten dagegen schon. Ein gemeinsamer Kampf der Arbeiterklasse auch um die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen ist notwendig.

Symbolpolitik wie der Beschluss zur Grundrente sollen den Eindruck erwecken, dass der Staat handlungsfähig sei und Verbesserungen möglich sind. Aber diese Politik ist nicht nur Augenwischerei, sie bringt auch eine weitere Verschlechterung der Lage mit sich. Denn das Sozialversicherungssystem wird weiter ausgehöhlt.

Die Einkommensprüfung bedeutet nichts anderes als eine Bedürftigkeitsprüfung, vor allem weil es sich um Rentner mit niedrigen Einkommen handelt, die wohl kaum über viel Vermögen verfügen. Aber Bedürftigkeitsprüfungen gehören eigentlich nicht in die Rentenversicherung. Wie oben beschrieben, fallen viele der Rentner raus, weil sie weniger als 35 Jahre eingezahlt haben. Hinzu kommt, dass von den zehn Millionen Rentnern, die im Moment weniger als 900 Euro Rente beziehen, die meisten einen Partner haben, der auch über eine Rente oder Einkommen verfügt. Sonst wäre der Anteil der Rentner, die Anspruch auf Grundsicherung hätten, viel höher. Die Eigentlich müsste es einfach eine deutliche Rentenerhöhung insbesondere für Niedriglohn-Arbeiter geben – finanziert durch die Rentenversicherung und durch die Erhöhung der Beiträge der Unternehmen. Ohne weitere Prüfung der Einkommen, denn es müsste ja darum gehen, dass auch alleinstehende Rentner und Rentnerinnen mehr Rente bekommen. Das Gespenst der Zahnarztgattin, die dann Grundrente bekommen würde, obwohl ihr Mann reich ist, ist Unsinn. Wer 35 Jahre in die Rentenkasse gezahlt hat und eine so niedrige Rente hat, gehört nicht zu Betuchten dieses Landes.

Statt einer Rentenerhöhung hat die Bundesregierung zusätzlich beschlossen, dass Betriebsrenten mehr gefördert werden und ab einer Grenze keine Beiträge mehr zur Krankenversicherung abgeführt werden müssen. Den Krankenkassen werden dadurch 1,2 Milliarden Euro fehlen. Hinzu kommt, dass die Betriebsrenten der Arbeitgeber an Geringverdiener stärker gefördert werden und Mitarbeiterkapitalbeteiligungen zu einem wesentlich höheren Betrag steuerfrei sein sollen. Das heißt, dass die Spaltung der Arbeiter vorangetrieben wird, da sie nicht alle gleichermaßen von der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig sind. Und die Unternehmen können dabei auch noch Steuern sparen.

Zur Betriebsrente: Betriebsrenten sind eine Form der privaten Altersvorsorge, die entweder vom Lohn abgezogen wird (Bruttoentgeltumwandlung, z.B. die Metall-Rente) oder arbeitgeberfinanziert wird (aktuelle Forderung der IG Metall). Beides ist zum Nachteil der Arbeiterklasse, da die gesetzliche Rentenversicherung dadurch geschwächt wird. Sie ist eine Solidarversicherung, in der eine gewisse Umverteilung zu Gunsten der Geringverdiener stattfindet. Das ist bei der Betriebsrente nicht der Fall, von der ja nur die Beschäftigten eines Betriebs profitieren. Zudem kann der Arbeitgeber die Ausgaben für die Betriebsrente als Betriebsausgaben deklarieren und muss darauf keine Sozialversicherung zahlen. Bisher musste die Versicherten Beiträge zur Krankenversicherung von der Betriebsrente bezahlen. Das wird nun abgesenkt. Das ist ein Vorteil für die Betriebsrentner und soll die Betriebsrenten attraktiver machen. Es ist aber ein Nachteil für die Krankenversicherung, der die Gelder fehlen. Insgesamt ist also die Ausweitung der Betriebsrenten zum Nachteil der Arbeiterklasse und trägt zu ihrer Schwächung bei. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass im Vorfeld des IG Metall-Gewerkschaftstages die Orientierung des Vorstands klar auf der Stärkung der Betriebsrenten lag. Erst in den Delegiertenversammlungen und auf dem Gewerkschaftstag wurde der Schwerpunkt auf den Kampf für die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung gelegt und auf die Probleme der Bruttoentgeltumwandlungen hingewiesen.

Zu guter Letzt wurde beschlossen, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 2,4 Prozent abgesenkt werden soll, er hätte eigentlich wieder um 0,2 Prozentpunkte steigen müssen. Dadurch werden „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ um 1,2 Milliarden Euro „entlastet“, wie es beschönigend heißt. Tatsächlich ist es aber eine weitere Einsparung von Lohnkosten für das Kapital.

Ein Rechenbeispiel: Wer 3000 Euro brutto verdient, wurde um 6 Euro „entlastet“. Ein Unternehmen, das 100.000 Arbeiter beschäftigt, die 3000 Euro brutto verdienen wird um 600.000 Euro entlastet. Während der Unternehmer Kosten spart, erhält der Arbeiter einen Teil seines Lohns gleich statt ihn in die Kasse einzuzahlen, aus der er Ersatzlohn erhält, wenn er arbeitslos ist.

Insgesamt ist der Beschluss der Bundesregierung also nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern ein weiterer Schritt in der Aushöhlung der Sozialversicherungen. Scheinbare Verbesserungen enthalten oft Verschlechterungen für die Arbeiterklasse. Aber das sollte uns auch nicht weiter wundern, ist es doch der Staat der Monopole und nicht unserer.

Die Forderung der Linkspartei, die Beitragsjahre für die Grundrente auf 25 abzusenken und eine Mindestrente einzuführen, sind nicht falsch, ebenso wie die Abschaffung der Rente mit 67. Die PDL orientiert aber auf eine Regierung mit SPD und Grünen, eben jenen Parteien, die maßgeblich zum Absenken der Rente beigetragen haben und bewiesen haben, dass sie Politik im Interesse des Kapitals machen. Die PDL selbst hat bereits praktisch bewiesen, dass sie als Verwalter der bürgerlichen Herrschaft gute Dienste leistet. Mit dem Versprechen, durch eine „linke“ Regierung könnte man die Probleme lösen, wird die Illusion in den neutralen Staat verbreitet, die Klasseninteressen verwischt und damit die Arbeiterklasse geschwächt.

Die Arbeiterklasse braucht keine Orientierung auf bürgerliche Regierungen, sondern muss die Schritte in ihrem Kampf für ihre konkreten Interessen verbinden mit dem Kampf für die sozialistische Revolution.

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