12. Der Kampf gegen Opportunismus und Revisionismus

Revisionismus ist die Abweichung von grundlegenden Erkenntnissen und Standpunkten des Marxismus-Leninismus infolge eines Eindringens von Elementen der bürgerlichen Weltanschauung in die Weltanschauung des Proletariats. In der Praxis führt er zum Opportunismus, dessen typische soziale Basis das Kleinbürgertum und die Arbeiteraristokratie sind. Opportunismus bedeutet, im Klassenkampf einen falschen, aber vermeintlich einfacheren Weg zu wählen, der die Bewegung in eine Sackgasse führt.

Beim rechten Opportunismus wird das strategische Ziel der Revolution den taktischen Zielen und Forderungen untergeordnet und damit letzten Endes faktisch aufgegeben. Der linke Opportunismus reduziert dagegen alles auf das Ziel der Revolution und vernachlässigt oder leugnet sogar die Notwendigkeit von Kämpfen um die Verbesserung der Lebenslage und Kampfbedingungen der Arbeiterklasse auch innerhalb des Kapitalismus, die aber notwendig sind, um die revolutionäre Bewegung überhaupt erst aufzubauen. Für eine kommunistische Bewegung ist der Kampf gegen beide Grundrichtungen des Opportunismus und alle Formen des Revisionismus von entscheidender Bedeutung.

In vielen Ländern wurden nach dem imperialistischen Ersten Weltkrieg kommunistische Parteien gegründet, um den organisatorischen und politischen Bruch mit dem Opportunismus zu vollziehen und die Arbeiterklasse im Kampf für den Sozialismus führen zu können. Trotzdem setzten sich, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, auch in den kommunistischen Parteien zunehmend erneut opportunistische und revisionistische Tendenzen durch. Dies zeigt, dass der Kommunismus sich notwendigerweise in ständiger Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie befindet, die auch in den Reihen der Arbeiterbewegung in Gestalt des Opportunismus entsteht.

Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 konnten die Vertreter dieser Strömung unter der Führung von Nikita Chruschtschow einen politischen Sieg erringen. In der bedeutendsten Partei der kommunistischen Weltbewegung setzten sich damit revisionistische Einschätzungen zu verschiedenen Grundsatzfragen durch, die von den meisten anderen kommunistischen Parteien übernommen wurden und in der Sowjetunion in der Folgezeit auch zu ökonomischen Veränderungen führten, die auf lange Sicht den Sozialismus aushöhlten. Die sozialistische Gesellschaftsordnung blieb zwar weiter erhalten, jedoch wurde der sozialistische Aufbau durch falsche wirtschaftspolitische Konzepte und eine Aufweichung der Planwirtschaft gehemmt und einer langsamen Stärkung der revisionistischen Strömung der Boden bereitet. In der zweiten Hälfte der 1980er nahm diese Strömung dann um den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow offen konterrevolutionären Charakter an und konnte den Sozialismus in der Sowjetunion schließlich zerschlagen.

In der kommunistischen Bewegung in der BRD, namentlich in der KPD und später der DKP, bildete sich in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit unter dem revisionistischen Einfluss eine strategische Orientierung heraus, die auf den friedlichen Übergang zum Sozialismus auf dem Boden der bestehenden staatlichen Institutionen und auf politische Bündnisse mit bürgerlichen Kräften und Teilen der Bourgeoisie setzte. Diese Vorstellungen lehnen wir ab.

Während die kommunistischen Parteien in der BRD trotz ihrer opportunistischen Abweichungen gleichzeitig auch noch an einigen theoretischen und praktischen Grundsätzen des Marxismus-Leninismus festhielten, kam es in anderen Ländern Westeuropas, vor allem in Italien und Frankreich, unter dem Vorwand der Berücksichtigung „nationaler Besonderheiten“ zu einem völligen Bruch der dortigen kommunistischen Parteien mit der kommunistischen Bewegung. Unter dem Banner des sogenannten „Eurokommunismus“ wurde offenster Opportunismus und Revisionismus propagiert und praktiziert, die Solidarität mit den sozialistischen Staaten aufgekündigt, das kapitalistische Ausbeutersystem akzeptiert, die enge Verbindung mit der Arbeiterklasse zerschlagen. Die „eurokommunistischen“ Parteien beteiligten sich an der Verwaltung des Kapitalismus auf Kosten der Arbeiterklasse, sie verwandelten einst mächtige kommunistische Kampfparteien in sozialdemokratische Systemparteien und liquidierten sie schließlich in einigen Fällen vollständig. Der „Eurokommunismus“ ist somit eine gefährliche Spielart des Revisionismus, die wir bekämpfen.

Eine weitere Spielart des rechten Opportunismus ist der Zentrismus. Zentrismus bedeutet, sich einer revolutionären Rhetorik zu bedienen und den Marxismus-Leninismus als Phrase anzuerkennen, aber den Einfluss des offenen Revisionismus nicht oder nicht konsequent zu bekämpfen. Der Zentrismus versucht im Namen der Einheit der Partei und Bewegung, den politischen und organisatorischen Bruch mit den offenen Opportunisten zu vermeiden und verwässert die weltanschaulichen Gegensätze zwischen konsequenten Kommunisten und Opportunisten. Der Zentrismus hat sich unter anderem auch in der Frage der revolutionären Strategie und der Organisationspolitik vom Marxismus-Leninismus entfernt und propagiert auf diesen Gebieten opportunistische Vorstellungen. Er ist eine verdeckte Form des Revisionismus, woraus sich besondere Gefahren ergeben. Damit bildet auch er ein Hindernis für den Aufbau der revolutionären Partei und muss von der kommunistischen Partei bekämpft werden.

Von besonderer Bedeutung für die kommunistische Bewegung ist der Kampf gegen die Sozialdemokratie. Diese ist nicht einfach nur eine von vielen Varianten bürgerlicher Ideologie. Ihr besonderer Charakter ergibt sich daraus, dass sie als Strömung der Arbeiterbewegung agiert, allerdings die Arbeiterklasse nicht auf ihre Selbstbefreiung vorbereitet, sondern im Gegenteil objektiv für die Fortsetzung und Verewigung der Ausbeutung arbeitet.

Die Sozialdemokratie beruht auf der Illusion, dass der Kapitalismus durch Reformen seine unerträglichen Widersprüche überwinden könne. Daher ist ihre Perspektive die Verwaltung und schrittweise „Verbesserung“, nicht die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus. Sie führt die Arbeiterklasse durch reformistische Illusionen in die Irre, sie bindet kämpferische und revolutionäre Potenziale ein und macht sie unschädlich für das System. Ihr bürgerlicher Charakter bringt sie dazu, auch reaktionäre Maßnahmen der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse mitzutragen. Wie Geschichte und Gegenwart zeigen, ist sie letzten Endes immer auch bereit zur gewaltsamen Verteidigung der Interessen des Kapitals gegen die revolutionäre Bewegung. Dieser systemstützende Charakter der Sozialdemokratie ist der Grund für unsere unversöhnliche Gegnerschaft zu ihr.

Ihren Einfluss auf die Arbeiterklasse zu brechen, ist eine zentrale Voraussetzung für den erfolgreichen Kampf der Arbeiterklasse. Die Existenz der Sozialdemokratie und allgemein des rechten Opportunismus in der Arbeiterbewegung ist nicht einfach das Ergebnis von Verrat oder Charakterschwäche der Arbeiterführer. Sie ist ein regelmäßig auftretendes Phänomen unter den Bedingungen des Imperialismus. Das Monopolkapital realisiert aufgrund seiner die Produktion und den Austausch beherrschenden Stellung enorme Extraprofite, die es möglich machen, einen bedeutenden Teil der Arbeiterklasse durch materielle Zugeständnisse einzubinden. Diese „Arbeiteraristokratie“ wird tendenziell zu einer sozialen Stütze der Sozialdemokratie und damit des Imperialismus. Diese Analyse schließt jedoch nicht aus, dass Einzelpersonen und in Aufschwungsphasen des revolutionären Klassenkampfs auch größere Teile dieser Schicht der Arbeiterklasse politisch gewonnen werden können.

Als sich die Sozialdemokratie von einer revolutionären Organisation zur Stütze der kapitalistischen Herrschaft und zum Feind der Arbeiterklasse in ihren eigenen Reihen wandelte, beförderte dies als Reaktion auch das Erstarken des Linksradikalismus, obwohl er auch davor bereits in verschiedenen Formen existiert hatte. Auch der „linke“ Radikalismus hat opportunistischen Charakter und hält die Arbeiterklasse von ihrer Organisierung und der Revolution ab. Das gilt für Positionen, die nur die revolutionäre Phrase akzeptieren wollen, aber den Kampf der Arbeiterklasse für ihre Interessen auf dem Boden des Kapitalismus ablehnen.

Es gilt auch für Positionen, wie sie die KP Chinas und die Partei der Arbeit Albaniens in den 1960er und 1970er Jahren vertraten. Diese Parteien und die an ihnen orientierten Gruppierungen auf der ganzen Welt gingen von einer Kritik am rechten Opportunismus der sowjetischen Führung aus, um dann aber selbst eine opportunistische Politik zu betreiben. Dabei bedienten sie sich unwissenschaftlicher und revisionistischer Konzepte wie „Staatskapitalismus“ und „Sozialimperialismus“, die einen Bruch mit dem marxistisch-leninistischen Verständnis von Kapitalismus, Imperialismus und Sozialismus bedeuteten. Auf der Grundlage dieser revisionistischen Thesen übernahmen die KP Chinas, die Partei der Arbeit Albaniens und andere Parteien, die sich an ihnen orientierten – ob hoxhaistisch, maoistisch oder auf Grundlage der „Mao-Tse-tung-Gedanken“ –, offen antisowjetische Positionen, die sich faktisch gegen den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion richteten. Eine differenzierte Herangehensweise an die chinesische und albanische Revolution und politische Kräfte, die sich an den Positionen der KP Chinas oder der Partei der Arbeit Albaniens orientieren, ist unabhängig davon erforderlich. Sie ändert aber nichts daran, dass die genannten Abweichungen vom Marxismus-Leninismus scharf kritisiert werden müssen. Ihre feindliche Haltung gegenüber der Sowjetunion und den meisten anderen sozialistischen Staaten hat objektiv konterrevolutionären Charakter und nützte dem Imperialismus bei seiner Offensive gegen den Sozialismus.

Der Trotzkismus ist eine weitere Form des Opportunismus, die sich ursprünglich aus einer ultra-„linken“ Kritik an der Politik der Bolschewiki in der Sowjetunion entwickelt hat, aber seit langem auch oft als faktisch rechter Opportunismus und Anbiederung an die Sozialdemokratie auftritt. Der Trotzkismus stellte die Möglichkeit des sozialistischen Aufbaus „in einem Lande“, also in der Sowjetunion infrage. Allen trotzkistischen Strömungen ist ein unwissenschaftliches und letztlich konterrevolutionäres Herangehen an den historisch existierenden Sozialismus gemein, das in der Verwendung des antikommunistischen Kampfbegriffs „Stalinismus“ und der unkritischen Wiedergabe zahlreicher bürgerlicher Verfälschungen unserer revolutionären Geschichte seinen Ausdruck findet. Bis heute sorgen diese Strömungen, in manchen Ländern in hohem Ausmaße, für Verwirrung und falsche Orientierungen in der Arbeiterbewegung.

Die Aufzählung dieser opportunistischen Strömungen hat beispielhaften Charakter und ist nicht erschöpfend. Die Auseinandersetzung mit ihnen, um ihre Entstehung, ihren Charakter und ihre Wirkung auf die Arbeiterbewegung besser verstehen zu können, wird Gegenstand des Klärungsprozesses sein. Besonders die Rolle der Sozialdemokratie in Deutschland wird zu analysieren sein, um ihren Einfluss auf die Arbeiterklasse effektiv bekämpfen zu können: Dabei gilt es zu prüfen, ob die SPD und die Partei Die Linke in Deutschland wirklich noch sozialdemokratischen Charakter haben und welche Schlussfolgerungen daraus für den Umgang mit diesen Parteien zu ziehen sind. Außerdem ist zu klären, auf welche Art und Weise die Sozialdemokratie heute in den Gewerkschaften wirkt, wie groß ihr Einfluss auf die Gewerkschaften wirklich ist und wie es um die Verankerung dieses Einflusses in der Arbeiterklasse steht. Des Weiteren müssen wir analysieren, welche Strömungen des Trotzkismus, des Maoismus, des Hoxhaismus und anderer Abweichungen vom Marxismus-Leninismus es heute gibt, wie sie sich in ihren Positionen unterscheiden und worin ihr Einfluss auf die Arbeiterklasse besteht. Im Falle des Maoismus und der „Mao-Tse-tung-Gedanken“ ist außerdem zu analysieren, ob sich bereits in den allgemeinen weltanschaulichen Positionen Mao Tse-tungs revisionistische Abweichungen vom wissenschaftlichen Sozialismus finden, die die antisowjetische Politik der KP Chinas später begünstigt haben.

Aktuelles

Das Scheitern der afghanischen Revolution – Lehren für den Kampf in der Peripherie

Vor 45 Jahren übernahm die Demokratische Volkspartei Afghanistans die Macht in Kabul. Im ersten Teil seiner Rezension zu Matin Barakis neuem Buch zur Geschichte des Landes am Hindukusch diskutiert Noel Bamen das Scheitern der sog. Saur-Revolution und die Schlussfolgerungen, die Baraki daraus zieht.

Vertiefungen zu Fragen des Ukraine-Kriegs

Die Klärung wird fortgeführt Im Januar 2023 hatte sich ein...

Was uns auf dem Teller fehlt, finden wir in der Kriegskasse

Am 1. Mai auf die Straße – für konsequenten Arbeitskampf und tatsächliche Lohnerhöhungen, gegen Kriegspolitik und Krise auf unseren Rücken!

Die neoliberale Ordnung diktieren

Dieser Diskussionsbeitrag von Yakov Jasko beschäftigt sich mit der neoliberalen Strategie des Imperialismus. Er versucht aufzuzeigen, wie die imperiale Räuberbande ihren Einfluss nutzt, um die Märkte anderer Länder zu privatisieren und nach seinem Gusto bestimmend zu gestalten.