Beitrag zur Diskussion um den Leitantrag – keine Positionierung der Kommunistischen Organisation (siehe Beschreibung der Diskussionstribüne)
von Lars Schnitzler
Im Leitantrag findet an mehreren Stellen die „kleinbürgerliche“ und die bürgerliche Ideologie Erwähnung. Richtigerweise wird in Zeile 1201ff festgestellt, dass „Der Kampf gegen die bürgerliche Ideologie und der konsequente Standpunkt für die Klasseninteressen“ der in den Massenorganisationen organisierten Werktätigen zusammengehören. Doch leider fehlt es an einer klaren Definition beider Ideologien, was meines Erachtens aus zwei Gründen ein Problem darstellt:
- Stellen der Einfluss der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ideologie auf die Massen doch Hauptprobleme für unsere Massenarbeit dar. So wird im LA richtigerweise die Position vertreten, dass zur Organisation der Arbeiterklasse Formen gefunden werden müssen, „die unabhängig von der bürgerlichen Ideologie sind“. Dazu benötigen wir allerdings ein klares Verständnis der bürgerlichen Ideologie!
- Handelt es sich ja bei bürgerlicher und kleinbürgerlicher Ideologie keineswegs um inhaltsleere Begriffe, mit denen wir alles bezeichnen, was uns nicht in den Kram passt. Vielmehr handelt es sich jeweils um Weltanschauungen mit einer ganz bestimmten Klassenbasis und entsprechendem Inhalt.
Auch wenn wir den Ideologiebegriff an sich noch nicht ausreichend geklärt haben, möchte ich doch den Inhalt der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ideologie kurz skizzieren. Wenn ich hierbei bestimmte Ansichten als „kleinbürgerlich“ oder „bürgerlich“ kategorisiere, meine ich damit den Klasseninhalt der Ideologie und nicht notwendigerweise den jeweiligen Vertreter. Denn wie oben erwähnt, haben die kleinbürgerliche und die bürgerliche Ideologie einen großen Einfluss auf die Arbeiterklasse – das ist ja gerade das Problem.
Die bürgerliche Ideologie
Die bürgerliche Ideologie verkörpert die Klasseninteressen der Bourgeoisie, also in erster Linie die Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft und der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Dazu rechtfertigt, verschleiert und beschönigt sie die herrschenden Verhältnisse oder stellt diese als alternativlos dar. Außerdem dient sie der Bourgeoisie auch zur Durchsetzung von verschiedenen konkreten strategischen und taktischen Zielen. Daher nimmt sie durchaus unterschiedliche, einander scheinbar widersprechende Formen an. So wird z.Bsp. auf der einen Seite nationaler Chauvinismus dort eingesetzt, wo die Massen in den Krieg gehetzt werden sollen, während auf der anderen Seite Kosmopolitismus dann gepredigt wird, wenn es darum geht ein imperialistisches Bündnis wie die EU zu rechtfertigen. Die Rassentheorie des deutschen Faschismus hat dem deutschen Monopolkapital genauso zur Durchsetzung seiner Interessen gedient, wie die Vorstellung eines „grenzenlosen“ und „friedlichen“ Europas heute.
Die bürgerliche Ideologie war fortschrittlich, als sie sich gegen die feudalistischen Verhältnisse wandte. Spätestens seitdem diese überwunden und der Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium übergegangen ist, ist sie reaktionär, weil sie der Aufrechterhaltung der überkommenen kapitalistischen Produktionsverhältnisse dient. Sie bildet auf der Ebene der Weltanschauung den unmittelbaren Gegensatz zu den Interessen der Arbeiterklasse. Sie muss von uns daher kompromisslos entlarvt und bekämpft werden.
Die kleinbürgerliche Ideologie
Die kleinbürgerliche Ideologie entspricht dem Klassenstandpunkt des Kleinbürgertums. Dieses verfügt zwar über eigene Produktionsmittel, ist aber gleichzeitig auch zur Arbeit gezwungen, das heißt, es steht ökonomisch zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Auch gehen einzelne Kleinbürger beständig in die beiden Hauptklassen über – die einen steigen in die Bourgeoisie auf, die anderen ins Proletariat ab. Aus seiner schwankenden ökonomischen Lage ergibt sich auch das politische Schwanken des Kleinbürgertums. Zwar haben weite Teile des Kleinbürgertums ein objektives Interesse an der Überwindung des Kapitalismus, jedoch ist es aufgrund seiner ökonomischen Lage nicht in Stande, unabhängig von der Arbeiterklasse eine wirklich revolutionäre Weltanschauung zu entwickeln.
So setzt sich die Kleinbürgerliche Ideologie – im Unterschied zur bürgerlichen Ideologie – Befreiung zum Ziel. Allerdings wird hierbei die Befreiung des Individuums zur Voraussetzung für die Befreiung des Kollektivs gemacht oder die letztere gänzlich verworfen. Dies findet insbesondere im Anarchismus seinen Ausdruck. Aber auch einige andere Beispiele dafür, wie die kleinbürgerliche Ideologie die individuelle Selbstbefreiung an die Stelle des gemeinsamen Kampfes gegen den Kapitalismus setzt, sollen hier genannt werden. Viele Formen der Konsumkritik zielen darauf ab, durch den bewussten individuellen Konsum, die Produktionsbedingungen zu verbessern, während sich längst nicht alle einen solchen „fairtrade“- oder „öko“-Lifestyle überhaupt leisten können. Beim Drogenfetischismus versuchen einzelne über Drogenkonsum den unbefriedigenden Verhältnissen in angebliche höhere, übernatürliche Zustände zu entfliehen. In Teilen der Hackerszene herrscht die Vorstellung vor, sich über das Betreiben eigener Server und das Erstellen von Open-Source-Software im Internet unabhängig von den Mechanismen des Kapitalismus machen zu können. Die Queer-Theorie konstruiert eine unendliche Vielzahl von individuellen Geschlechteridentitäten und versucht real existierende biologische Kategorien, wie „Männer“ und „Frauen“ abzubauen. Wie sollen sich aber die Männer und Frauen der Arbeiterklasse gemeinsam gegen die Unterdrückung der Frauen organisieren, wenn es laut Queer-Theorie gar keine Frauen gibt?
Die kleinbürgerliche Ideologie ist damit nicht in der Lage, eine politische Linie zu entwickeln, die auf den gemeinsamen, einheitlichen und organisierten Kampf der Massen um die ökonomische und politische Macht, orientiert. Eine solche Linie entspricht objektiv den Interessen der Arbeiterklasse. Das Hereindringen der kleinbürgerlichen Ideologie in die Reihen der Arbeiterbewegung zersetzt deren Organisations- und Aktionsfähigkeit und führt zu Opportunismus. Daher müssen wir auch die kleinbürgerliche Ideologie entlarven und bekämpfen, insbesondere dort, wo sie vermeintlich „revolutionär“ oder „fortschrittlich“ daherkommt.
Die bürgerliche und kleinbürgerliche Ideologie bekämpfen – das gesellschaftliche Bündnis aufbauen!
Neben der Arbeiterklasse müssen sich, für den erfolgreichen Kampf für den Sozialismus, auch die übrigen Teile der Massen organisieren. Neben Teilen der Intelligenz (z.Bsp. Ingenieure und Wissenschaftler), ist insbesondere das Kleinbürgertum, grundsätzlich für den Kampf für den Sozialismus zu gewinnen. Auch den Ladenbetreiber, den (schein)selbstständigen Grafikdesigner oder den Kleinbauern sollten wir erreichen. Auch diese, oft unter sehr prekären Verhältnissen lebenden, Teile des Volkes müssen sich im Bündnis organisieren, und zwar im Bündnis mit der Arbeiterklasse. Damit es aber möglich ist, dass sich ihre Organisierung auch konsequent gegen ihren gemeinsamen Feind, die Kapitalistenklasse richtet, muss diese unter der Hegemonie der Arbeiterklasse stattfinden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich beispielsweise in einer denkbaren Bewegung der kleinen Selbstständigen nur deren Partikularinteressen durchsetzen und zum Beispiel für eine Senkung der Gewerbesteuer oder bessere Preise gegenüber der Kapitalistenklasse gekämpft wird. „Erst wenn eine stark organisierte Arbeiterklasse auftritt, wird sich die Frage der gesellschaftlichen Bündnisse mit anderen Schichten, die näher an der Bourgeoisie stehen, stellen.“, heißt es dazu im Leitantrag (Z. 743ff). Die Arbeiterklasse kann sich aber nur zu einer starken, klassenorientierten Arbeiterbewegung organisieren, wenn sie die bürgerliche, wie auch die kleinbürgerliche Ideologie aus ihren Reihen herausdrängt. Für den Aufbau des gesellschaftlichen Bündnis mit dem Kleinbürgertum ist also der Kampf gegen die kleinbürgerliche Ideologie in der Arbeiterklasse nötig.
Für eine klassenorientierte Arbeiterbewegung! Für ein gesellschaftliches Bündnis für den Sozialismus!